Wohin, das Frage ich mich in den letzten Jahren des Öfteren, führt eigentlich die ganze Innovation die Menschen. Der technologische Fortschritt ist atemberaubend – beängstigend – schnell. Es lässt sich nicht mehr leugnen, dass es eine gewisse, und zwar keine geringe, Veränderung im Leben vieler Menschen geben wird. Eine Veränderung, die nicht mehr aufzuhalten ist. Um diesem Gedankengang folgen zu können hier ein kleiner Ausflug in die IT-Vergangenheit, welcher vielen in ähnlicher Art bekannt sein dürfte:
Vor etwa 20 Jahren, genauer gesagt im Jahr 1998, konnten Unternehmen wie SUN, HP, IBM u.a. Hersteller den Server Markt mehr oder weniger klar beschreiben und gewissermaßen unter sich aufteilen. Die Umsätze und die Gewinne waren planbar, es war ein sicheres Geschäft. Der weltweite Bedarf und Absatz gingen Hand in Hand. Unternehmen wuchsen, so auch die Server-Parks. Und je mehr Server es zu verwalten gab, desto mehr Mitarbeiter benötigte man dafür. Aber nicht nur in der Abteilung Server, sondern analog dazu auch Netzwerk, Storage und Co.
Zu dieser Zeit wurde der Markt vor allem von RISC-UNIX Systemen dominiert. Highend-Server kosteten noch soviel wie ein Haus. IBM führte den Midrange-Markt mit einem Umsatz von ca. 5 Mrd. $ an, dicht gefolgt von Hewlett-Packard, die sich bei knapp über 4 Mrd. $ platzierten. SAP R/3 war stark im kommen, und trieb den Server Absatz deutlich spürbar in die Höhe, wenngleich 1998 Aufgrund der Asien Krise ein relativ schwaches Jahr war. Sogar Siemens und Compaq existierten noch auf dem Kuchendiagramm. Der Entry-Server Bereich, man bedenke, als Entry-Server galten Server unter 100.000 $, war die Spielwiese von DELL und SUN. Kennt noch wer Amdahl?
Dann gründeten 1998 ein paar Leute in Palo Alto die Software Firma VMware. Im Jahr 1999 verkündete VMware, man erwarte einen Umsatz von ca. 5 Mio. $
Zehn Jahre später, also genauer gesagt 2009, erschütterten Analysten den Markt mit der Nachricht eines weltweiten Rückgangs des Server Umsatzes um ca. 25%. Eine beachtliche Entwicklung, wenn man bedenkt, dass sich die TOP 5 Hersteller 90% des Marktes teilten. Dazu sei gesagt, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Serverumsätze bereits mehr als 2 Jahre im Rückgang befanden. Erst 2014 verbesserte sich der Absatz wieder mit steigenden Stückzahlen. Der 2008 gestartete Abschwung benötigte also mehr als 6 Jahre um sich wieder etwas zu erholen. Das ist episch – zumindest in der Welt der Hersteller, die bis dahin ausschließlich „fette“ Jahre gewohnt waren. VMware hingegen veröffentlichte 2009 ein Jahres-Umsatz-Ergebnis von 2 Mrd. $ bei einem Wachstum von 18% im Vergleich zum Vorjahr.
Was war passiert? Nun, Innovation hat zugeschlagen. Mitten ins Gesicht der Etablierten. Die Server-Virtualisierung hat einen Paradigmenwechsel in der Welt der IT verursacht. Eine Softwarefirma hat die Hardware-Hersteller aus dem Paradies vertrieben. Die Umsätze schrumpften stark, und der Kampf um einen Platz auf dem Olymp der Hersteller kostet die Unternehmen empfindlich Margen – und am Ende auch zahlreiche Mitarbeiter. Für die IT Welt bedeutete die Innovation der Virtualisierung einen mächtigen Sprung vor allem in Richtung der Ergebnisverbesserung.
Was aber bedeutete diese Veränderung für den eigentlich wichtigsten Aspekt aller Unternehmen – den Menschen, konkret die Mitarbeiter von IT Organisationen. Positiv ausgedrückt wurde die Arbeit für viele IT Admins einfacher. Für Unternehmen hatte es zudem den Vorteil, dass man durch diese Innovation signifikant Kosten sparen konnte. CAPEX (Hardware Assets) und OPEX (in Form von Mitarbeitern).
Also gut, man könnte es an dieser Stelle auch noch positiver formulieren: viele nicht mehr benötigte Arbeitskräfte konnten andere Aufgaben zugeführt werden. De facto hieß das jedoch für die meisten: Außerhalb des Unternehmens. Nach vielen Jahren des „Erfahrung Sammelns“ ist für mich klar, dass Kosteneffekte (oder Business Case Justifikationen) sich im Wesentlichen nur durch zwei Faktoren erzielen lassen: billigste Einkaufskonditionen und Personalfreisetzung. Bisher hat kein erfahrener Mitstreiter oder Kunde widersprochen.
Das Versprechen von Innovation ist eng verbunden mit dem Geist der Veränderung, oder im Allgemein Sprech auch CHANGE.
Aber: Das wird sich dann für ganz viele ungefähr so anfühlen, wie einst in der Clique, die beschließt, dass sie eine tolle Reise unternehmen wird, und am Tag der Abreise teilt man Dir mit: „Du kannst nicht mit!“ Dann werden die Augen plötzlich ganz groß. Aber man hat doch noch bis vor kurzem kräftig mitgeplant, Routen erstellt, begeistert die Vorbereitungen unterstützt, teilweise auch viel persönliche Zeit und Energie investiert, und dann: die Offenbarung. Man gehört plötzlich nicht mehr dazu. Das Versprechen der meisten Innovationen ist es, die Leben der Menschen leichter zu machen. Und es stimmt, für viele Menschen wird das Leben leichter, aber wird es dadurch auch besser? Es widerspricht i.d.R. auch niemand, weil jeder glaubt sein Platz in der Clique ist sicher. Bis zu jenem Tag.
Geht der Gewinn von Innovation also zu Lasten von Werten?
Dieser Frage gehen wir in Teil 2 nach.
Text: B.Pieper und T.Baus
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